Emotional und einvernehmlich – EXPERTS ON TOUR® in Niederösterreich
27.03.2014Am 24.3. 2014 kamen weit über 50 TeilnehmerInnen zur Fortbildung nach Bad Fischau-Brunn.
Mammografie-Screening
Pünktlich um 18. 30 Uhr begrüßte ABCSG-Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Veranstaltung OA Dr. Werner Kwasny die zahlreichen Anwesenden und übergab dann das Wort an Prim. Univ.-Doz. Dr. Paul Christian Hajek, Ärztlicher Direktor am LK Wiener Neustadt, der das seit Jahresbeginn laufende Mammografie-Screening bewertete. Durchaus kritisch beleuchtete Doz. Hajek dieses staatliche Gesundheitsprogramm, mit dem „Populationen, aber keine Individuen gescreent werden“. Das sei dann auch das Problem für ÄrztInnen, die im Gegenteil Individuen behandeln und keine Populationen. Individuen vertrauen eben ihrem Arzt, ihrer Ärztin, die sie regelmäßig sehen und die sie jetzt nur noch im Verdachtsfall zur Mammografie überweisen dürfen. Wahrscheinlich liegen die Zahlen deshalb kaum über der Wahrnehmungsgrenze: Nur 5% der eingeladenen Frauen nehmen die Einladung zur Brustkrebsvorsorgeuntersuchung an und nur 0,3% davon waren noch nie bei Mammografie. Prim. Hajek bittet in seinem emotionalen Schlusswort um Erklärung, wie man mit weniger Mammografie mehr Karzinome in einem frühen Stadium finden soll.
Wortmeldungen aus dem Publikum schlagen unter anderem vor, das Mammografie-Screening wie die Untersuchungen im Mutter-Kind-Pass zu organisieren, also finanzielle Anreize zu schaffen, um die Akzeptanz zu erhöhen. Das wäre generell für Vorsorgeuntersuchungen wünschenswert. Co-Vorsitzender OA Dr. Harald Trapl (LK Baden) verteidigte das an sich gute System der Mammakarzinombehandlung in Österreich und erinnert an die Problematik der falsch-positiven Befunde, die eine erhebliche psychische Belastung für die Patientinnen darstellen und zahlreiche Untersuchungen nach sich ziehen. Auch hier gibt es Reaktionen im Publikum, die lieber drei falsch-positive Befundungen haben als einen falsch-negativen. Es wurde deutlich, dass das Screening-Programm die Emotionen hochgehen lässt: Doz. Hajek erwartet eine zweite Gesprächsrunde im Herbst, um Nachbesserungen vorzunehmen und eventuell das Tiroler und Vorarlberger Modell auszuweiten, wo Zuweisungen von niedergelassenen ÄrztInnen auch weiterhin möglich sind.
Endokrine Therapie
Als zweiter Referent fasste Univ.-Prof. Dr. Günther Steger die endokrine sequenzielle Therapie zusammen und gab einen umfassenden Überblick über Antiöstrogene bei postmenopausalen Patientinnen sowie die auftretenden Compliance-Probleme bei perioralen Therapien – nach einem Jahr liegt nur noch eine Compliance von maximal 70% mit oralen Indikationen vor. Auch die Fortschritte in der palliativen Therapie streicht Prof. Steger heraus, die durch das hohe Niveau der Ausbildung, Technik und Studien in Österreich möglich wurden. Einzig der personelle Mangel, besonders im Bereich der Pathologie, ist hierzulande evident und muss unbedingt in Angriff genommen werden.
Der erfahrene Onkologe plädiert außerdem für Rebiopsien, da sich der Tumorrezeptorstatus über die Jahre durchaus ändern kann – auch diese Zusatzuntersuchung kann nur mit ausreichend Personal problemlos vorgenommen werden. Ca. 20-30% der Tumoren switchen, und mit Ausnahme von Knochenmetastasen ist eine Rebiopsie nicht nur leicht durchzuführen, sondern auch therapieentscheidend.
Case Reports im Tumorboard – Fall 1
Nach diesem informativen Vortrag wechselte Prof. Steger gemeinsam mit OA Trapl ins Discussion-Panel und Moderator Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant nahm seinen Platz auf der Bühne ein. Das „Tumorboard“ komplettierten die Strahlentherapeutin OÄ Dr. Martina Metz, die Gynäkologin OÄ Dr. Ute Pfleger, der niedergelassene Radiologe Dr. Werner Schuster und der Pathologe Prim. Dr. Wolfgang Stiglbauer.
Die erste Fallpräsentation übernahm OÄ Dr. Karin Haider, die einen überraschenden Befund aus dem Jahr 2002 vorstellte: Trotz Unauffälligkeit der klinischen und radiologischen Untersuchung der Axilla wurden bei einer Patientin 16 befallene Lymphknoten (von 22) gefunden. Nicht alle Therapien waren zu diesem Zeitpunkt schon standardisiert, daher wurde die Patientin mit Chemotherapie und Bestrahlung behandelt. Bis 2008 gab es keine Probleme, dann allerdings wurde am rechten Ovar eine Dermidoidzyste entfernt, in der Mammatumorzellen gefunden wurden. Hier herrschte Uneinigkeit im Tumorboard über das weitere Vorgehen, OÄ Haider löste die Diskussionen und berichtete vom weiteren Verlauf, einer erneuten Chemotherapie (Capecitabin/Vinorelbin), gefolgt von Anastrozol. 2013 wurde ein Tumormarkeranstieg beobachtet, jedoch waren Schädel-CT und PET ohne Befund. Auf die Frage, ob das Discussion-Panel trotzdem an der Therapie etwas ändern würde, meinte Prof. Steger, dass sich in solchen Situationen immer die Frage stellt, ob man richtig geschaut hat, da sich Metastasen oftmals „verstecken“.
Im weiteren Verlauf trat subkutan ein Knoten am Hals auf, der sich nach histologischer Untersuchung als Metastase entpuppte. Wieder die Frage ans Panel – kann man hier von einem Progress sprechen? OA Trapl war klar gegen eine weitere Chemotherapie, doch tatsächlich wurde anders entschieden und die Patientin erhielt Paclitaxel. Der Allgemeinzustand besserte sich aus klinischer Sicht, für die aktuelle Fallpräsentation wurden rezent die Marker kontrolliert, die wieder eklatant angestiegen waren. In der nächsten Woche ist das 3-Monats-CT fällig, das mit Spannung erwartet wird. Man wird sehen, ob man nicht doch wieder auf Fulvestrant wechselt.
ABCSG-Präsident Prof. Gnant betonte, dass man im wirklichen Leben nie so viel Zeit hat, um einen Fall zu besprechen – diesen bedenklichen Umstand sollte man sich vor Augen halten.
Case Reports im Tumorboard – Fall 2
OA Dr. Thomas Sagmeister stellte den zweiten Fall des Abends vor, bei dem eingangs Einstimmigkeit im Panel bei der Wahl der adjuvanten Therapie herrschte. Seine Patientin war auch in ABCSG-12 eingeschlossen, nach Entfernung von Lokalrezidiven und einem Lymphknoten trat unter Anastrozol ein axilläres Rezidiv auf. 2005 wurde wieder eine Chemotherapie vorgenommen, inklusive Bestrahlung und Tamoxifen. Plötzlich wurde die Patientin schwanger und der Referent zog das Tumorboard zu Rate – Prof. Gnant fand diese Fragestellung eigentlich schon zu komplex, und OA Sagmeister löste auf: Da ein Abbruch nicht gewünscht wurde, unterbrach man die Therapie und 2006 entband die Patientin. Bis 2011 gab es auch keine Probleme mehr, bis dann ein Rezidiv auftrat und die Tumormarker anstiegen. Unter Faslodex kam es zur Progression, außerdem entwickelte sich ein ausgeprägtes Lymphödem, das den Allgemeinzustand beeinträchtigt. Der Referent fragte nun das Board, ob man rückblickend hätte anders therapieren können?
Da nach damaligem State-of-the-Art therapiert wurde, gab es keine Beanstandungen. Prof. Gnant merkte noch an, dass beim diesjährigen EBCC in Glasgow eine Studie für Patientinnen mit starkem Kinderwunsch unter endokriner Therapie angekündigt wurde. Das Thema ist also im Kommen.
Den Abschluss des Abends bestritt die Digitaltherapeutin und Bestsellerautorin Anitra Eggler, die mit ihrem wie immer amüsanten Vortrag den Anwesenden einiges mit auf den Weg gab, um sich sicher im Internet zu bewegen und dort vielleicht neue Distributionsmöglichkeiten zu erschließen.
Nach einem gleichsam unterhaltsamen und lehrreichen Referat endete der Abend um 21 Uhr.
EXPERTS ON TOUR® kommt im Herbst nach Graz – seien Sie bei dieser praxisnahen Fortbildungsveranstaltung dabei!
Bilder von der Veranstaltung am 24.03.2014
Schloss Fischau, 2721 Bad Fischau-Brunn
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